Zeitreise durch die Welt des Kakao - Teil 3
- Eybel Schokomanufaktur
- 20. Mai
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 23. Mai
DIE SCHWEIZ - DIE HEIMAT DER SCHOKOLADEN-PIONIERE
Die Schweiz - ein kleines Land, das in vielerlei Hinsicht überrascht und Größe zeigt. Doch wieso gilt ausgerechnet die Schweiz als Heimat der Schokolade und nicht all die anderen Länder, durch die der Kakao einen Siegeszug nach Europa nahm?
Nun eine exakte Antwort gibt es darauf nicht, jedoch lässt sich nicht abstreiten, dass die Schweizer traditionell ein extrem hohes Qualitätsbewusstsein in allen Bereichen an den Tag legen und auch beim Thema Schokolade völlig neue Maßstäbe setzen. Nicht zuletzt sind es aber die unbändige Innovationsfreude und der kreative Erfindungsgeist, welcher den Schweizer schon des öfternen einen Vorteil verschaft hat - und deshalb verwundert es nicht das die Schokoladen-Pioniere, die die Herstellung und Vermarktung von Schokolade weltweit revolutionierten, waschechte Schweizer sind.
Sehr geehrte Schokofreunde, im Foldenden möchten wir Ihnen nun vorstellen: die Herren Cailler, Lindt, Suchard, Tobler, Nestlé und Peter...

Der Beginn der schweizer Schokoladen-Erfolgsgeschichte
Die schweizer Schokoladentradition beginnt im 19. Jahrhundert mit der die Gründung der ersten Schweizer Schokoladenfabriken.

1819 gründet auch der Unternehmer Frédéric Cailler (1796-1852) in Vevey am Genfersee seine Schokoladenfabrik. Der kleine Ort Vevey gilt zu jener Zeit als das Zentrum der Schokoladenwelt. Cailler erkennt schnell die Vorteile des Einsatzes von Wasser-und Dampfkraft bei der industriellen Herstellung von Schokolade und wird so zum Gründer der ersten mechanisierten Schokoladenfabrik der Schweiz. Eine Revolution zu einer Zeit, als Schokolade meist noch als Apothekerware oder Luxusprodukt in fester Form verkauft wurde. Sein Schwiegersohn Daniel Peter (ihn lernen wir noch zu einem späteren Zeitpunkt noch näher kennen), tritt später in seine Fußstapfen.
Cailler ist heute die älteste noch existierende Schokoladenmarke der Schweiz - gehört jedoch mittlerweile zum Großkonzern Nestlé.
Der Beginn der schweizer Schokoladen-Erfolgsgeschichte
Im späten 19. Jahrhundert galt Schokolade noch als schwer zu verarbeitenes Luxusgut – bröckelig, sandig in der Textur und fern vom heutigen zartschmelzenden Genuss. Der Mann, der das für immer ändern sollte, war Rodolphe Lindt (1855-1909), ein Schweizer Chocolatier mit Weitblick und Experimentiergeist.
Geboren 1855 in Bern, stieg Rodolphe Lindt zunächst in die Apothekerlehre ein, entschloss sich jedoch bald, seiner Leidenschaft für Genussmittel zu folgen. Im Jahr 1879 gründete er eine kleine Schokoladenmanufaktur in Bern. Dort widmete er sich dem Ziel, eine Schokolade herzustellen, die nicht nur süß war, sondern auch cremig, fein und schmelzend – so, wie man sie heute kennt.
Der entscheidende Durchbruch kam – alten erzählungen nach – durch einen glücklichen Zufall: Lindt vergaß eines Tages, eine Schokoladenmasse über das Wochenende abzuschalten. Als er zurückkam, war sie stundenlang gerührt und leicht erhitzt worden – die Masse war plötzlich fein, glänzend und von unvergleichlichem Aroma und so wurde aus dem vermeintlichen Missgeschick wurde eine bahnbrechende Erfindung: die Conche.
Lindt nannte seine neue Maschine die "Conche", benannt nach ihrer ursprünglichen muschelähnlichen Form. Beim Conchieren wird die Schokoladenmasse mehrere Stunden bis Tage lang mechanisch bewegt und erwärmt – dabei verflüchtigen sich unerwünschte Bitterstoffe, und durch die kontinuierliche Bewegung und Reibung entsteht eine feine, homogene Textur.
Die Qualität von Lindts Schokolade sprach sich schnell herum. 1899 verkaufte Rodolphe Lindt sein Unternehmen samt Rezept und Conche-Technologie an Johann Rudolf Sprüngli – der Start für die heute weltbekannte Firma Lindt & Sprüngli.
Rodolphe Lindts Erfindung war mehr als ein technischer Fortschritt – sie veränderte die Wahrnehmung von Schokolade grundlegend. Aus einem bröseligen Nahrungsmittel wurde ein sinnliches Erlebnis. Heute ist das Conchieren ein unverzichtbarer Schritt in der Schokoladenherstellung auf der ganzen Welt.
Schweizer Innovationsgeist mit Geschmack und Charakter
Im selben Jahr entwickelte Theodor Tobler (1876–1941), gemeinsam mit seinem Cousin Emil Baumann, die berühmte Toblerone-Schokolade, die eine markante dreieckige Form erhielt und 1908 erstmals auf den Markt kam.

Die Rezeptur kombinierte Milchschokolade mit Honig, Mandeln und Nougat – eine damals einzigartige Mischung. Der Name "Toblerone" setzt sich aus "Tobler" und "Torrone" (italienisch für Nougat) zusammen. Die charakteristische dreieckige Form der Toblerone ist von verschiedenen Theorien umgeben. Eine besagt, dass sie vom Matterhorn inspiriert wurde, eine andere führt sie auf eine Pyramide von Tänzerinnen im Pariser Varieté zurück. Es gibt auch Spekulationen über einen freimaurerischen Hintergrund. Wahrscheinlich ist jedoch, dass die Form von einer bereits existierenden dreieckigen Verpackung beeinflusst wurde.
Mit diesem enzigartign Design setzte Tobler Maßstäbe in der Markenidentität und im Produktdesign, die bis heute Bestand haben.
Die Weltwirtschaftskrise traf das Unternehmen jedoch hart. 1933 musste Tobler auf Druck der Banken als Direktor zurücktreten. Anschließend gründete er die Typon AG in Burgdorf, die Filme für die grafische Industrie herstellte. Trotz neuer unternehmerischer Aktivitäten erholte er sich nie vollständig von seinem Rückzug aus dem Schokoladengeschäft. Er verstarb am 4. Mai 1941 in Bern. Theodor Toblers Erbe lebt jedochin der Toblerone weiter, die heute weltweit als Symbol für Schweizer Schokoladenkunst gilt...
Eine Nachbarschaft die die Schokoladenwelt veränderte

Henri Nestlé (1839 -1890), ein gebürtiger Deutscher, ließ sich in Vevey, dem schweizer Schokoladenmittelpunkt, nieder und gründete dort eine Firma für Kindernahrung.
1867 erfand er ein Verfahren, um Kondensmilch industriell herzustellen – ein Produkt, das Kindern half, die keine Muttermilch vertrugen. Seine Milch war lange haltbar und hygienisch – eine Sensation in einer Zeit ohne Kühlketten und den Möglichkeiten von heute.

Daniel Peter (1836-1919), ebenfalls aus Vevey, war verheiratet mit einer Tochter von François-Louis Cailler, dem Gründer der ersten mechanisierten Schokoladenfabrik der Schweiz. Peter führte eine eigene Schokoladenfirma und tüftelte jahrelang an einer Idee: Schokolade, die mit Milch verfeinert wird, um sie milder, cremiger und für ein breiteres Publikum attraktiver zu machen.
Doch die größte Herausforderung war technischer Natur: Frische Milch machte die Schokolade ungenießbar oder ließ sie schnell verderben. Die große Herausforderung war es also, Wasserhaltigkeit zu vermeiden, da Milch normalerweise nicht mit Fett stabil mischbar ist.
1875 fand Daniel Peter die Lösung – durch Nestlés Kondensmilch und Milchpulver gelang Peter die erste stabile Milchschokoladenmasse, die industriell produziert werden konnte. Peters Milchschokolade war bewusst auf Kinder, Familien und die Mittelschicht ausgerichtet – eine frühe Form von zielgruppengerechtem Marketing, das heute Standard ist. Das Produkt wurde ein sofortiger Erfolg – nicht nur in der Schweiz, sondern bald in ganz Europa.
1905 fusionierten die Unternehmen von Nestlé und Daniel Peter zur Firma Nestlé & Anglo-Swiss Condensed Milk Company, einem Vorläufer des heutigen Nestlé-Konzerns. Die Milchschokolade wurde zum Markenzeichen der Schweiz – und zum Exportschlager.
Die Zusammenarbeit von Peter und Nestlé veränderte die Welt des Genusses. Ihre Milchschokolade war nicht nur ein neues Produkt – sie war der Beginn einer globalen Kultur des süßen Luxus. Heute ist Milchschokolade die beliebteste Schokoladenform der Welt. Daniel Peters Name lebt heute zwar nicht als eigene Marke weiter, aber seine Innovation ist fester Bestandteil der Schokoladengeschichte.
Der König des Marketings
Philippe Suchard (1797-1884) war einer der ersten, der in der Schweiz und in Europa mit der industriellen Herstellung von Schokolade begann. Er gründete 1826 seine eigene Schokoladenfabrik in Boudry, und seine ersten Produkte waren handgemachte Schokoladen, die in Form von Tafeln und Pralinen verkauft wurden. Suchard stellte seine Schokolade aus einer Mischung von Kakaobohnen, Zucker und Milch her, wobei er großen Wert auf die Qualität seiner Zutaten legte. Eine seiner Innovationen war es, Kakaobutter in der Schokolade zu verwenden, was ihr eine zartere Textur und einen besseren Geschmack verlieh.

Suchard gilt als Meister der Reklame. Früher als alle anderen macht er sich das Marketingwerkzeug zu nutze. Mit geschickt platzierten Werbeinseraten verschafft er sich einen Wettbewerbsvorteil und etabliert sein Unternehmen als eine der bekanntesten Schokoladenmarken der Schweiz. Er ließ bekannte Künstler jener Zeit seine Plakate gestalten und die Motive dann großflächig in Zeitungen drucken und an Hausfassaden malen - und auch als Samelbildern in seinen Verpackungen beilegen. Das Unternehmen nahm die Herstellung von Milchschokolade und Pralinen auf und wurde in vielen Teilen Europas populär.
Im Laufe der Jahre baute Philippe Suchard seine Fabrik weiter aus. Er setzte auf modernste Maschinen und Techniken, um die Schokoladenproduktion zu optimieren und die Produktion zu steigern. 1929, Jahrzehnte nach Philippe Suchards Tod (er starb 1884), wurde die Suchard AG von Nestlé übernommen.
Die Schokoladenherstellung wurde in den folgenden Jahrzehnten zunehmend mechanisiert, und Schokolade wurde nicht nur als Luxusprodukt, sondern auch als Massenware verfügbar. Besonders beliebt waren die bekannten Schokoladentafeln und Pralinen. Für die Schweizer ist Schokolade bis heute ein wesentlicher Bestandteil ihrer Kultur und Wirtschaft.
Ein paar Gedanken zum Ende unserer Reise durch die Kakaogeschichte
Verfasst von Andreas Eybel, Waakirchen im Mai 2025
Wenn ich heute manchmal allein nach Geschäftsschluss durch unsere Schokomanufaktur streife, und die einzigartigen Kreationen dort betrachte, ist mein Herz mit stiller Ehrfurcht erfüllt. In solchen Momenten kann ich förmlich spüren, dass ich nicht allein bin. Ich arbeite in den Spuren jener, die vor über 100 Jahren den Mut hatten, zu träumen – und zu handeln. Mein größtes Bestreben ist es, es ihnen gleich zu tun und mich dem Erbe meiner Vorgänger würdig zu erweisen.
François-Louis Cailler, der erste, der wagte, Schokolade industriell zu denken.
Daniel Peter, der die Milch hinzufügte und damit das Tor zum Massen-Genuss öffnete.
Henri Nestlé, dessen Idee von haltbarer Milch das Undenkbare möglich machte.
Rodolphe Lindt, der der Schokolade das Schmelzen beibrachte und ihr Seele gab.
Philippe Suchard, der mit harter Arbeit den süßen Traum einer Nation prägte.
Theodor Tobler, der Form und Idee zu einem Erlebnis verband, das über Geschmack hinausreicht.
Sie alle hatten mehr als Wissen. Sie hatten Intuition, Ausdauer – und den Willen, Genuss neu zu denken. Ohne ihre Erfindungen, ihr Scheitern, ihre Hingabe, wäre unsere Arbeit heute nicht möglich.
Ich sehe mich nicht als Schöpfer, sondern als Hüter eines Handwerks, das über Generationen gereift ist. Jeder Rührvorgang, jede Rezeptur, jede feine Praline trägt ein Echo dieser Ursprünge in sich.
Die Zukunft der Schokolade liegt in unseren Händen – aber ihre Würde liegt in ihrer Herkunft und Vergangenheit.
Merci, mes maîtres.
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